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Psychotherapie (von altgriechisch ψυχή psyche „Seele“, und therapeia „Behandlung“, von θεραπεύειν therapeuein „heilen, dienen“) bezeichnet die „gezielte professionelle Behandlung seelischer (psychischer) Störungen oder psychisch bedingter körperlicher Störungen mit psychologischen Mitteln“. Die dabei angewandten Verfahren, Methoden und Konzepte sind durch verschiedene Psychotherapieschulen geprägt.[1] Nach einer bis heute oft zitierten methodenübergreifenden Definition von Hans Strotzka ist Psychotherapie

„…ein bewusster und geplanter interaktionaler Prozess zur Beeinflussung von Verhaltensstörungen und Leidenszuständen, die in einem Konsensus (möglichst zwischen Patient, Therapeut und Bezugsgruppe) für behandlungsbedürftig gehalten werden, mit psychologischen Mitteln (durch Kommunikation) meist verbal, aber auch averbal, in Richtung auf ein definiertes, nach Möglichkeit gemeinsam erarbeitetes Ziel (Symptomminimalisierung und/oder Strukturänderung der Persönlichkeit) mittels lehrbarer Techniken auf der Basis einer Theorie des normalen und pathologischen Verhaltens. In der Regel ist dazu eine tragfähige emotionale Bindung notwendig.“

– Hans Strotzka: zit. nach Wittchen und Hoyer (2011), S. 4[2]

Die Psychotherapieforschung überprüft diese entwickelten Konzepte und Verfahren dann interdisziplinär in Form von Wirksamkeitsprüfung und Prozessforschung. So wird versucht, die Kluft zwischen Wissenschaft und praktischer Anwendung durch ein besseres Verständnis der aktiven Wirkprinzipien und Veränderungsprozesse zu überbrücken.[3]

Inhaltsverzeichnis

1 Allgemeines
2 Begriff und gesetzliche Regelungen

2.1 Deutschland

2.1.1 Zugelassene Verfahren
2.1.2 Zugelassene Berufe

2.2 Österreich

2.2.1 Zugelassene Verfahren
2.2.2 Zugelassene Berufe

2.3 Schweiz

3 Psychotherapieverfahren
4 Psychotherapie: Beschreibung und Abgrenzung

4.1 Wissenschaftliche Definitionen
4.2 Modelle zur Psychotherapie und ihrer Wirkungsweise

4.2.1 Unspezifische Wirkfaktoren nach J. Frank
4.2.2 Therapiefaktoren nach Orlinsky und Howard
4.2.3 Wirkfaktoren nach Grawe
4.2.4 Empirische Befunde

4.3 Modelle zu personenzentrierten Psychotherapie-Kompetenzen

4.3.1 Helping Skills-Modell
4.3.2 Facilitative Interpersonal Skills-Modell
4.3.3 Fünf Faktoren-Modell der Psychotherapie-Kompetenz

4.3.3.1 Definition eines Therapeuten-Effekts
4.3.3.2 Bestandteile des Therapeuten-Effekts
4.3.3.3 Größe des Therapeuten-Effekts

5 Computer-unterstützte psychotherapeutische Interventionen
6 Abgrenzung von anderen professionellen Beziehungen
7 Ausbildung und staatliche Anerkennung

7.1 Schweiz
7.2 Österreich
7.3 Deutschland

8 Siehe auch
9 Literatur
10 Weblinks
11 Einzelnachweise

Allgemeines

Das Wort Psychotherapie leitet sich ab von altgriechisch ψυχή psychḗ ‚Atem, Hauch, Seele‘ in Zusammensetzung mit θεραπεύειν therapeúein ‚pflegen, sorgen‘ sowie von altgriechisch θεραπεία therapeia „Heilung“ und lässt sich auch dadurch bis zu Platon zurückführen.[4] Einer der ersten, der den Begriff nutzte, war 1872 Daniel Hack Tuke. Zum Ende des 19. Jahrhunderts wurde Psychotherapie im Zusammenhang mit Hypnotismus gebräuchlich und durch F. van Elden ab 1889 verbreitet, der damit den Begriff im modernen Sinne bezeichnete.[5][6][7] Erste Ansätze zu einer psychotherapeutischen Behandlung im heutigen Sinne zeigte die Verknüpfung von psychologischem und somatischem Standpunkt durch den französischen Arzt und Philosophen Pierre Cabanis im ausgehenden 18. Jahrhundert, der 1802 versuchte,[8] „moralische“, also psychologische, Phänomene physiologisch zu erklären.[9] Zu den frühen Protagonisten ist daneben der französische Arzt Jean-Martin Charcot zu rechnen.

Siehe auch: Geschichte der Psychotherapie

Die europäische Kulturgeschichte kennt als eines der ältesten „psychotherapeutischen Verfahren“ die Hypnose. Aus der Psychoanalyse Sigmund Freuds haben sich die verschiedenen tiefenpsychologischen Lang- und Kurzzeit-Therapieformen entwickelt (siehe auch Analytische Psychotherapie, Fokaltherapie, tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie, die sich in viele verschiedene Therapieformen differenziert haben). Daneben ist die Verhaltenstherapie als Methode mit ihren verschiedenen Formen entstanden, bei denen im Gegensatz zu den tiefenpsychologischen Therapieformen keine Ursachen-Behandlung und Selbsterkenntnis, sondern die Symptom-Behandlung im Vordergrund steht (siehe unter anderem Kognitive Verhaltenstherapie, Paartherapie, Familientherapie).[10][11][12]

Heute wird Psychotherapie auch im Krankenhausbereich[13] im Zusammenhang mit Körper und Seele eines ganzheitlich gesehenen Menschen verstanden und erklärt.[14]

Von Psychotherapie zu unterscheiden ist die Psychologische Beratung, die in verschiedensten Teilgebieten der Psychologie zum Einsatz kommt, aber nicht zur Heilkunde gehört.

Begriff und gesetzliche Regelungen

Dieser Artikel oder Absatz stellt die Situation in Deutschland, Österreich und der Schweiz dar. Hilf mit, die Situation in anderen Staaten zu schildern.

Die Zulassung zur beruflichen Ausübung von Psychotherapie ist international unterschiedlich geregelt. Eine gesetzliche Regelung gibt es innerhalb der EU in elf von 28 Staaten.

Deutschland

Die Ausübung von Psychotherapie ist in Deutschland rechtlich geregelt und darf nur von Ärzten mit entsprechender Zusatzqualifikation, von „Psychologischen Psychotherapeuten“ (d. h. Psychologen mit psychotherapeutischer Ausbildung und Approbation) sowie von Heilpraktikern mit psychotherapeutischer Ausbildung ausgeübt werden.

Rechtliche Regelungen des Begriffs Psychotherapie finden sich im Psychotherapeutengesetz und in der Psychotherapie-Richtlinie. In beiden Fällen wird jedoch nicht geregelt, was unter Psychotherapie rechtlich zu verstehen ist, sondern nur in welcher eingeschränkten Form Psychotherapie unter das Psychotherapeutengesetz oder unter die Psychotherapie-Richtlinie fällt.

Das Psychotherapeutengesetz regelt, wer heilkundliche Psychotherapie unter der Berufsbezeichnung „Psychotherapeut“ ausüben darf. Unter das Psychotherapeutengesetz fällt somit nicht Psychotherapie, die von Psychologen oder Heilpraktikern im Rahmen des Heilpraktikergesetzes durchgeführt wird. Psychotherapie, die unter der Berufsbezeichnung Psychotherapeut angewendet werden darf, ist „jede mittels wissenschaftlich anerkannter psychotherapeutischer Verfahren vorgenommene Tätigkeit zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Störungen mit Krankheitswert, bei denen Psychotherapie indiziert ist.“[15]

Psychotherapie, die gemäß Psychotherapie-Richtlinie über die gesetzlichen Krankenkassen abrechnungsfähig ist, „(…) wendet methodisch definierte Interventionen an, die auf als Krankheit diagnostizierte seelische Störungen einen systematisch verändernden Einfluss nehmen und Bewältigungsfähigkeiten des Individuums aufbauen.“[16] „Psychotherapie, als Behandlung seelischer Krankheiten (…), setzt voraus, dass das Krankheitsgeschehen als ein ursächlich bestimmter Prozess verstanden wird, der mit wissenschaftlich begründeten Methoden untersucht und in einem Theoriesystem mit einer Krankheitslehre definitorisch erfasst ist. Nach dem Psychotherapeutengesetz ist der Wissenschaftliche Beirat Psychotherapie zuständig für die Anerkennung von Therapieverfahren.“[17]

Zugelassene Verfahren

Die Mitglieder des Wissenschaftlichen Beirates Psychotherapie, aus Bundesärztekammer und Bundespsychotherapeutenkammer in den Beirat entsandt, sind beauftragt, die wissenschaftliche Anerkennung von Verfahren der Psychotherapie zu begutachten. In Deutschland wurden vier Psychotherapieverfahren als „wissenschaftlich begründete“ Psychotherapie anerkannt. Der Gemeinsame Bundesausschuss entscheidet, welches Verfahren in die Psychotherapie-Richtlinie aufgenommen und somit durch die gesetzlichen Krankenkassen erstattet wird. Erstattungsfähig sind gegenwärtig (Stand 2020) die Verhaltenstherapie, die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie, die Psychoanalyse sowie die Systemische Therapie.

Verhaltenstherapie: Verhaltenstherapeutische Verfahren basieren in der Regel auf dem Modell der klassischen oder der operanten Konditionierung. Sie haben zum Ziel, eine Extinktion (Löschung des problematischen Verhaltens), Gegenkonditionierung (Aufbau alternativer Reaktionen) oder Habituation (Gewöhnung an den zuvor reaktionsauslösenden Reiz) zu erreichen. Häufig werden den Patienten konkrete Methoden an die Hand gegeben, die ihnen dabei helfen sollen, ihre Probleme zu überwinden. Angestrebt wird auch die Ausbildung und Förderung von Fähigkeiten (z. B. Selbstsicherheitstraining) und die Ermöglichung einer besseren Selbstregulation. Beispielsweise versucht die kognitive Verhaltenstherapie, dem Betroffenen seine Gedanken und Bewertungen verständlich zu machen, diese gegebenenfalls zu korrigieren und in neue Verhaltensweisen umzusetzen.
Psychodynamische Verfahren: Im Rahmen von psychodynamischen Verfahren wie der tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie sowie der Psychoanalyse findet eine Auseinandersetzung mit unbewussten, in der Lebensgeschichte – meist in der Kindheit – grundgelegten Motivationen und Konflikten statt. Das Ziel ist hierbei, ein tieferes Verständnis des eigenen Selbst zu erreichen sowie Hintergründe und Ursachen von bestehendem Leid zu klären, damit dieses aufgelöst oder abgeschwächt werden kann.
Systemische Therapie: Die Systemische Therapie wurde 2008 wissenschaftlich anerkannt.[18] 2018 wurde ihr Nutzen und medizinische Notwendigkeit als Psychotherapieverfahren anerkannt[19] Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) entschied in seiner Sitzung vom 22. November 2018, dass die Systemische Therapie für Erwachsene zukünftig von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen wird.[20]

Die im Jahr 2000 ausgesprochene wissenschaftliche Anerkennung der Gesprächspsychotherapie für die vertiefte Ausbildung wurde 2017 im Rahmen einer erneuten Überprüfung zurückgezogen. Sozialrechtlich (erstattungsfähig durch die Kassen) ist die Gesprächspsychotherapie nie anerkannt worden. Darum wurden und werden heftige Auseinandersetzungen geführt. In der DDR war sie die vorherrschende Form der Psychotherapie und war auch sozialrechtlich anerkannt.

Zugelassene Berufe

Berechtigt zur Ausübung von Psychotherapie im Sinne der Heilkunde sind:

für Erwachsene
ärztliche Psychotherapeuten (approbierte Ärzte mit zusätzlicher Psychotherapieweiterbildung)
Fachärzte für Psychosomatische Medizin und Psychiatrie und Psychotherapie
Psychologische Psychotherapeuten (Diplom- bzw. Master Psychologen mit psychotherapeutischer Weiterbildung und Approbation)
Heilpraktiker (Die Erlaubniserteilung zur berufsmäßigen Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung, umgangssprachlich „Großer Heilpraktikerschein“, beinhaltet bzw. umfasst auch die eingeschränkte Erlaubniserteilung auf dem Gebiet der Psychotherapie sowie Physiotherapie. Quelle: Amt für Gesundheit und Verbraucherschutz, Heilpraktikerbereich, Bezirksamt Lichtenberg von Berlin, Schreiben vom 23. August 2011)
Heilpraktiker für Psychotherapie (Heilpraktiker beschränkt auf das Gebiet der Psychotherapie, umgangssprachlich „kleiner Heilpraktikerschein“)
für Kinder und Jugendliche
Fachärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie
Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten
Psychologische Psychotherapeuten (allerdings haben nicht alle approbierten psychologischen Psychotherapeuten eine Kassenzulassung für Kinder[21])
teilweise Heilpraktiker (großer und kleiner HP) bei Störungen ohne Krankheitswert[22]

Österreich

In Österreich ist Psychotherapie sowohl im Ärztegesetz als auch im Psychotherapiegesetz von 1990[23] geregelt. Letzteres legt das Berufsbild des Psychotherapeuten, die Zulassung zur Ausbildung, die Ausbildung selbst, Berufsbezeichnung, Berufspflichten, Listeneintrag, Psychotherapiebeirat sowie Strafbestimmungen und das Verhältnis zu anderen Vorschriften fest.

Eine Besonderheit des Psychotherapie-Rechts in Österreich ist, dass es sich nach dem Verständnis des Gesetzgebers „bei der Ausübung der Psychotherapie … um eine eigenständige wissenschaftliche Disziplin handelt“, dass Psychotherapie demnach als eigenständige Wissenschaft verstanden wird und nicht als Teildisziplin der Medizin, Psychologie oder einer anderen Wissenschaft.[24]

2020 startete die Aktion #mehrpsychotherapiejetzt des Österreichischen Bundesverbands für Psychotherapie, der mehr Therapieplätze mit Kassenfinanzierung fordert.[25]

Zugelassene Verfahren

In Österreich sind 23 Verfahren als „Psychotherapie“ anerkannt und zugelassen. Siehe Tabelle unten. Auch sind mehr Indikationen zugelassen als in Deutschland.

Zugelassene Berufe

Die Zugangsvoraussetzung zum Psychotherapeutenberuf sind wesentlich weiter gefasst als beispielsweise in Deutschland. So ermöglicht in Österreich u. a. ein Studium der Medizin, der Pädagogik, der Philosophie, der Psychologie, der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft oder der Theologie oder ein Studium für das Lehramt an höheren Schulen den Zugang zu einer Ausbildung zum Psychotherapeuten.[26]

Entscheidend für die Eintragung als Psychotherapeut ist eine zweistufige theoretische und praktische Ausbildung, die mindestens fünf Jahre dauert und aus einem allgemeinen Teil, dem Psychotherapeutischen Propädeutikum, und einem Fachspezifikum besteht. Zugelassen sind derzeit 23 Methoden, die in der untenstehenden Tabelle gelistet sind (im Unterschied zu Deutschland werden in Österreich nicht Verfahren – also „Methodenfamilien“ –, sondern einzelne Methoden zugelassen, was manchmal zu Missverständnissen führt).[27]

Schweiz

In der Schweiz sind 23 Verfahren als „Psychotherapie“ zugelassen. Zwei Wege führen zur Berechtigung, psychotherapeutisch zu arbeiten, einer für Ärzte und einer für Psychologen. Beide setzen einen (Fach-)Hochschulabschluss und eine postgraduale psychotherapeutische Weiterbildung voraus.[28] Psychologische Psychotherapie regelt das Psychologieberufegesetz, die Ausübung von Psychotherapie durch Psychologen namentlich das Kapitel 5 „Ausübung des Psychotherapieberufes“. Ärzte erwerben den Facharzttitel „Psychiatrie und Psychotherapie“.[29]

Psychotherapieverfahren

Siehe auch: Liste von Psychotherapie- und Selbsterfahrungsmethoden

Es gibt eine Vielzahl von Schulen und Methoden der Psychotherapie, die jedoch nicht alle als wissenschaftlich anerkannt gelten. Manche als Psychotherapieverfahren angebotenen Methoden sind wissenschaftlich nicht anerkannt, weil seriöse Wirksamkeitsuntersuchungen fehlen oder sie als widerlegt gelten, und werden eher dem para- und pseudowissenschaftlichen Bereich zugerechnet. Bei vielen Methoden handelt es sich um Weiterentwicklungen, Spezialisierungen oder Abspaltungen aus psychoanalytischen, tiefenpsychologischen, humanistischen oder verhaltenstherapeutischen Verfahren. Nicht alle Psychotherapieverfahren sind überall staatlich anerkannt und werden von allen Krankenkassen finanziert. Die Rolle der einzelnen Methoden im Gesundheitswesen der deutschsprachigen Länder ist sehr unterschiedlich (siehe Tabelle).

Richtung
Methode
Gründer
Deutschland
Österreich
Schweiz

analytisch
Psychoanalyse
Sigmund Freud

Individualpsychologie
Alfred Adler

Analytische Psychologie
C. G. Jung

Gruppenpsychoanalyse
Pratt, Burrow, Schilder

tiefenpsychologisch
Autogene Psychotherapie
Johannes Heinrich Schultz
–

–

Daseinsanalyse
Ludwig Binswanger
–

Dynamische Gruppenpsychotherapie
Raoul Schindler
–

Hypnosepsychotherapie
Milton Erickson
(1)

Katathym-Imaginative Psychotherapie
Hanscarl Leuner

Konzentrative Bewegungstherapie
Gindler, Stolze, Cserny
–

–

Transaktionsanalyse
Eric Berne
–

humanistisch
Logotherapie und Existenzanalyse
Viktor Frankl
–

Existenzielle Psychotherapie
Irvin D. Yalom
–

Gestalttherapie
Perls, Perls, Goodman
–

Gesprächspsychotherapie
Carl R. Rogers
(2)

Psychodrama
Jakob L. Moreno
–

Psychosynthese
Roberto Assagioli
–

behavioral
(klassische) Verhaltenstherapie
Thorndike, Watson, Skinner u. a.

kognitiv
kognitive Verhaltenstherapie
Ellis, Beck, Kanfer, Lazarus u. a.

systemisch
Systemische Therapie
Satir, Haley, Jackson u. a.
(2)

kombinatorisch
Integrative Therapie
Hilarion Petzold
–

Gestalttheoretische Psychotherapie
Hans-Jürgen Walter
–

–

Neuro-Linguistische Psychotherapie
Schütz, Karber, Jelem u. a.
–

–

körperorientiert
Bioenergetische Analyse
Wilhelm Reich, Alexander Lowen
–
–

Biosynthese
David Boadella
–
–

Körperpsychotherapie
verschiedene Schulen
–
–

kunstorientiert
Kunst- und ausdrucksorientierte Therapien
verschiedene Schulen
–
–

Musiktherapie
verschiedene Schulen
–

(1) Hypnosetherapie: in Deutschland Einzelbehandlung für Erwachsene anerkannt, muss von einem Arzt oder einem Psychologischen Psychotherapeuten, der die Abrechnungsgenehmigung dafür hat, durchgeführt werden.
(2) Gesprächstherapie und Systemische Therapie: in Deutschland für Erwachsene anerkannt (nach Berufsrecht).

In Teilen der akademischen Psychotherapieforschung wird angestrebt Psychologische Therapie / Psychologische Psychotherapie als eine von Therapieschulen losgelöste Psychotherapieform zu etablieren, in der nach Gesichtspunkten der evidenzbasierten Medizin behandelt (und evaluiert) wird. Es wird also das angewendet, was bei einem bestimmten Störungsbild und unter Berücksichtigung der Situation des Patienten wissenschaftlich als am besten wirksam belegt angesehen werden muss (Grawe 1994). Kritiker weisen auf die Komplexität der therapeutischen Situation hin, die von der Forschung bisher nur ansatzweise erfasst wird.[30] Insofern werden zunehmend integrative Psychotherapieverfahren empfohlen, die allgemeine mit spezifischen Wirkfaktoren kombinieren.[31]

Psychotherapie: Beschreibung und Abgrenzung

Psychotherapie wird von anderen Methoden und Verfahren auf dem wissenschaftlichen Feld der Psychologie unterschieden.

Wissenschaftliche Definitionen

Die Psychotherapieforscher David Orlinsky und Kenneth I. Howard beschrieben in der zweiten Auflage des Handbook of Psychotherapy and Behavior Change aus dem Jahr 1978 Psychotherapie unter folgenden Aspekten:[32]

“Psychotherapy is (1) a relation among persons, engaged in by (2) one or more individuals defined as needing special assistance to (3) improve their functioning as persons, together with (4) one or more individuals defined as able to render such special help.”

„Psychotherapie ist (1) eine Beziehung zwischen Personen; einerseits (2) einem oder mehreren Individuen, die Hilfe dabei benötigen, (3) ihr Funktionieren als Person zu verbessern, und andererseits (4) einem oder mehreren Individuen, die diese spezielle Hilfe zur Verfügung stellen.“

Jerome D. Frank lieferte in seinem vielbeachteten Buch Persuasion and Healing eine kulturübergreifende Definition:[33]

“Attempts to relieve suffering and disability are usually labeled treatment, and every society trains some of its members to apply this form of influence. Treatment typically involves a personal relationship between healer and sufferer. Certain types of therapy rely primarily on the healer’s ability to mobilize healing forces in the sufferer by psychological means. These forms of treatment may be generically termed psychotherapy.”

„Versuche, Leiden und Behinderung zu vermindern werden gewöhnlich Behandlung genannt, und jede Gesellschaft bildet einige ihrer Mitglieder aus, diese spezielle Form der Einflussnahme auszuüben. Behandlung umfasst üblicherweise eine persönliche Beziehung zwischen Heiler und Leidendem. Bestimmte Arten von Therapie beruhen primär auf der Fähigkeit des Heilers, heilende Kräfte im Leidenden mit psychologischen Mitteln zu mobilisieren. Diese Form der Behandlung wird gewöhnlich Psychotherapie genannt.“

Orlinsky et al. ergänzen in der fünften Auflage des Handbook of Psychotherapy and Behavior Change (2004), dass Psychotherapie in der heutigen Zeit auch umfasst bzw. umfassen kann:

eine Form von Förder- oder weiterführendem Unterricht in Bezug auf sozial-emotionales Funktionieren
eine nicht-gewalttätige Form der sozialen Kontrolle von abweichendem Verhalten
eine Vermittlung von sinnhafter persönlicher Orientierung und Lebensphilosophie (oder „spiritueller“ Entwicklung).

Aus einem anderen Blickwinkel könne Psychotherapie als eine Verfeinerung und Professionalisierung persönlicher helferischer Fertigkeiten gesehen werden, die dann gesucht wird, wenn das soziale Netzwerk des Individuums versagt (z. B. in einer Krise) oder kaum noch vorhanden ist (in sich schnell verändernden und hochmobilen Gesellschaften), oder wenn das nötige Ausmaß an „therapeutischer“ Kompetenz das in normalen sozialen Netzwerken übliche Niveau überschreitet. Diese Form der persönlichen Hilfe wird in modernen städtischen Gesellschaften angeboten als

professionelles Angebot
von Personen, deren Fachkunde in helferischen Fähigkeiten formal anerkannt wurde durch Ausbildungsinstitute, Lizenzierung und Reputation,
gegenüber Personen, deren Probleme die psychische Gesundheit im engeren Sinne betreffen.[34]

Die Apologeten der emotionalen Intelligenz, z. B. Daniel Goleman, verstehen Psychotherapie als systematisches Neuerlernen von Gefühlsreaktionen.[35]

Modelle zur Psychotherapie und ihrer Wirkungsweise

Unspezifische Wirkfaktoren nach J. Frank

Jerome D. Frank beschrieb 1961[36] vier Faktoren des psychotherapeutischen Geschehens, die seiner Meinung nach schulenübergreifend wirksam sind:[37][38]

Eine Beziehung zwischen Therapeut und Patient, in welcher der Patient den Therapeuten als kompetent und bereit zur Hilfe erlebt.
Die Besonderheit der therapeutischen Situation als Ort der Heilung (mit Insignien wie der professionellen Akkreditierung des Therapeuten, Couch etc.) und die damit zusammenhängenden Heilungserwartungen.
Die Vermittlung einer Erklärung (Attribution) für die Probleme des Patienten und wie man diesen abhelfen kann.
Die Durchführung eines therapeutischen Rituals (Aktivität, bei der davon ausgegangen wird, dass sie die Heilung bewirkt).

Nach Frank geht es dabei vor allem um eine Remoralisierung des Patienten, der durch die Symptome demoralisiert wurde und daher Hilfe sucht.[39]

Therapiefaktoren nach Orlinsky und Howard

In ihrem (erstmals 1986 veröffentlichten und seitdem überarbeiteten) „Generic Model of Psychotherapy“ beschrieben David Orlinsky und Kenneth I. Howard allgemeine (schulenübergreifende) Prozessvariablen, die sich auf das Therapieergebnis auswirken:[40]

Die formale Beziehung („therapeutic contract“, organisatorischer Aspekt)
Therapeutische Aktivitäten („therapeutic operations“, technischer Aspekt)
Therapeutische Beziehung („therapeutic bond“, interpersoneller Aspekt)
Selbstbezogenheit („self-relatedness“, intrapersoneller Aspekt)
unmittelbare Einflüsse der Sitzung („in-session impacts“, klinischer Aspekt)
zeitliche Muster („temporal patterns“, sequentieller Aspekt, zeitliche Abfolge)

Wirkfaktoren nach Grawe

Nach Klaus Grawe[41] lassen sich – über die Therapieschulen hinweg – folgende grundlegende Wirkfaktoren der Psychotherapie nachweisen:

Therapeutische Beziehung: Die Qualität der Beziehung zwischen dem Psychotherapeuten und dem Patienten/ Klienten trägt signifikant zu einem besseren oder schlechteren Therapieergebnis bei. siehe auch Reparenting
Ressourcenaktivierung: Die Eigenarten, die die Patienten in die Therapie mitbringen, werden als positive Ressource für das therapeutische Vorgehen genutzt. Das betrifft vorhandene motivationale Bereitschaften, Fähigkeiten und Interessen der Patienten.
Problemaktualisierung: Die Probleme, die in der Therapie verändert werden sollen, werden unmittelbar erfahrbar. Das kann z. B. dadurch geschehen, dass Therapeut und Klient reale Situationen aufsuchen, in denen die Probleme auftreten, oder dass sie durch besondere therapeutische Techniken wie intensives Erzählen, Imaginationsübungen, Rollenspiele o. ÃƒÂ¤. die Probleme erlebnismäßig aktualisieren.
Motivationale Klärung: Die Therapie fördert mit geeigneten Maßnahmen, dass der Patient ein klareres Bewusstsein der Determinanten (Ursprünge, Hintergründe, aufrechterhaltende Faktoren) seines problematischen Erlebens und Verhaltens gewinnt.
Problembewältigung: Die Behandlung unterstützt den Patienten mit bewährten problemspezifischen Maßnahmen (direkt oder indirekt) darin, positive Bewältigungserfahrungen im Umgang mit seinen Problemen zu machen.

Empirische Befunde

Asay und Lambert (2001) kamen bei einer Auswertung empirischer Ergebnisse zu der Schlussfolgerung, dass die Varianz in der therapeutischen Veränderung des Klienten zu

40 % durch Klientenvariablen und extratherapeutische Faktoren,
30 % durch die therapeutische Beziehung,
15 % durch die Therapieform und
15 % durch Erwartung und Placebo-Effekte erklärt wird.[42]

Modelle zu personenzentrierten Psychotherapie-Kompetenzen

Sofern Psychotherapeuten (schulenunabhängig) vielleicht durch ihre ganz persönlichen Kompetenzen wirken, müsste es auch Modelle geben, die das versuchen, abzubilden. Zwei davon sind das Helping Skills-Modell von Hill (2014) und das Facilitative Interpersonal Skills-Modell von Anderson (2009).

Helping Skills-Modell

In Hills Modell werden drei Kompetenzen genannt: Explorative Fähigkeiten (z. B. Reflexionen), einsichtsorientierte Fähigkeiten (z. B. Interpretationen) und Handlungsfähigkeiten (z. B. Hausauf-gaben zu geben). Dies stellen Orientierungsbereiche dar, die flexibel und kontextsensibel umgesetzt werden sollen. Diese Helping Skills-Bereiche sollen sehr gut gelehrt werden können und verbessern eine ganze Menge an Therapeuten-Eigenschaften: Die trainierten Therapeuten sollen in einer Studie besser in der Umsetzung geworden sein, fühlten sich als Behandler besser, hatten weniger Angst, hatten mehr Selbstwirksamkeit, fühlten sich in der Behandlerrolle wohler, waren weniger selbstkritisch, und fühlten sich besser in der Lage, eine Bindung zu ihren Patienten herzustellen.[43]

Facilitative Interpersonal Skills-Modell

Das Facilitative Interpersonal Skills Modell (FIS) von Anderson verfolgt einen anderen Ansatz: Den TherapeutInnen wird ein Standardset an realistischen Therapiesituationen vorgelegt und ihre Reaktionen darauf werden von Verhaltensbeoachtern auf mehreren Bereichen eingeschätzt, u. a. Beziehungskompetenz. Ist diese Kompetenz z. B. hoch ausgeprägt, werden Beziehungs-einschätzungen in den Therapien positiver, die Therapieergebnisse erfolgreicher und die Symptome geringer (ebd.). Die dort gemessenen Einschätzungen sollen nicht mit dem Helping Skills Modell korrelieren. „Apparently, FIS predicted helpers who gained confidence in their helping skills without being able to predict demonstrated learning of helping skills“.[44] Obwohl also das FIS-Modell mit realistischen Situationen arbeitet, scheint die Wirkung der Einschätzung gar nicht gezeigte Fähigkeiten zu betreffen, sondern eher gefühlte: „FIS predicted helpers who gained confidence in their helping skills“, also womöglich eher gefühltes, statt objektiv gezeigtes kompetentes Therapieren.

Fünf Faktoren-Modell der Psychotherapie-Kompetenz

Dieses fünf-Faktoren-Modell stammt aus einer Integration bereits belegter Wirkfaktoren, das heißt, es dürfte in genau dieser Form noch nicht in der Forschung vorkommen. Anders als bei Hills Helping Skills-Modell (siehe oben) werden hier fünf, statt drei personenspezifische Kompetenzbereiche propagiert.

1. Herz-Fähigkeiten (Herzwärme, Empathie, Mitgefühl)

Dass die therapeutische Beziehung eine der wichtigsten Einflussbereiche und allgemeinen Wirkfaktoren von Psychotherapie ist, ist vielfach belegt[45][46] Carl Rogers dürfte sich hier sehr gut eignen, um Wissen über Herz-Kompetenz-Effekte zu illustrieren. Rogers wurde berühmt durch die drei (beziehungsbetonten) Bereiche, die er als wesentliche Wirkung von Therapie ausmachte:

Die Empathie. Castonguay & Hill betonen, dass es nicht immer hilfreich ist, Therapeuten ganz allgemein zu lehren, wie man gute Beziehungen herstellt, sondern eher, wie diese ihren spezifischen Klienten ein Wachstum und eine Veränderung ermöglichen[47]. Rogers Kriterien korrelieren hoch mit Therapieerfolgen[48], können aber die Erfolge nicht vollständig erklären.
Die bedingungslose Akzeptanz als Haltung.
Die Authentizität, Kongruenz und Echtheit des eigenen Verhaltens. „Psychotherapie ist kein Ersatz, sondern eine Generalprobe fürs Leben. Anders gesagt, erfordert sie zwar eine enge Beziehung, doch die Beziehung ist nicht das Ziel – sie ist ein Weg zum Ziel“.[49] Die Beziehung ist ein „Vehikel, das die speziellen Beratungstechniken (…) ermöglicht und unterstützt“ ,[50] Der Grund, warum Rogers drei Fähigkeiten zur Empathie, Akzeptanz und Authentizität nicht ausreichen, um Therapie-Erfolge zu erklären[51] liegt vielleicht einfach darin, dass die Herz-Fähigkeiten nur einen Kompetenzbereich abdecken (statt, wie hier propagiert, fünf).

2. Ohr-Fähigkeiten (Konzentration, Offenheit)

Gute Therapeuten dürften auch gut darin sein, konzentriert und zugleich offen zuzuhören (vergleiche das Konzept der „extraordinary presence“[52]). Konzentriert meint von einer Theorie geleitet – und offen meint, theoriefrei zuhören oder wahrnehmen zu können. Während Erwartungen und Modell-Wissen das Zuhören sensibler machen können, so kann ein offenes Zuhören den Raum für theoriefreies, spontan Gehörtes freier und größer machen. Insofern ist das Zuhören in einer Psychotherapie vielleicht etwas Zweidimensionales, sich immer bewegend in den Mischungen zwischen gezieltem und frei schwebendem Zuhören (Freud soll es frei schwebende Aufmerksamkeit genannt haben). Denkbar ist jenseits dieser zwei Dimensionen auch ein komplexes Zuhören, d. h. der Versuch, das Gesagte inhaltlich zu erfassen, aber auch, das Nonverbale mit den Auge-Fähigkeiten zu sehen (Mimik und Gestik beachten) und gleichzeitig das Paraverbale mit den Ohr-Fähigkeiten zu hören (Tonfall, Sprechpausen, Tonhöhe, Satz-Unterbrechungen und Abbrüche als Sprache des Unbewussten usw.). Die Fähigkeit, „to listen and to respond to more than the manifest content of the words – to listen for narrative shifts, pauses, tonal variations, emotional coloring, plot lines, minor characters, and false notes, (…) is arguably another variable that separates the good from the great therapist“[53]. Wenn Psychotherapeuten schlechter zuhören, dann läge dies unter anderem an ihren eigenen Ängsten, Müdigkeit, Intellektualisierung oder an Reaktionsbildungen[54]. Die Fähigkeit, präsent zu sein und offen zuhören zu können, soll tatsächlich eine (statistisch unabhängige) von Empathie differenzierbare und eigene Fähigkeit sein[55].

3. Auge-Fähigkeiten (Ziele, Muster, Hier & Jetzt)

3.1. Therapieziele im Blick behalten

Da es auch blinde und sehbehinderte TherapeutInnen gibt, soll vorausgeschickt werden, dass hiermit geistige Sehkräfte gemeint sind, nicht unbedingt physische. Man kann geistig etwas im Blick behalten, zum Beispiel Therapie-Ziele, die planvoll und gerichtet angegangen werden[56].

3.2. Beziehungsmuster scharf sehen

Es können (und sollten) Beziehungsmuster gesehen werden, d. h. Interaktionsmuster zwischen Eltern und Patient/in, aktuellen Bezugspersonen und Patient/in, und natürlich zwischen dem Therapeuten und Patient/in im Sinne einer Übertragung und Gegenübertragung (Hintergrund ist das P-C-T-Personendreieck[57]). Yalom geht sogar ganz grundsätzlich davon aus, dass PatientInnen aufgrund von Mängeln in ihrer Beziehungsfähigkeit in Therapie gehen und dass sich ihre Beziehungsprobleme früher oder später auch gegenüber dem Therapeuten ersichtlich werden: „es besteht kaum die Notwendigkeit für biografische Exkurse, um schlecht angepasste Verhaltensmuster wahrzunehmen, weil sie sich schon bald in den leuchtendsten Farben im Hier und Jetzt der therapeutischen Sitzung zeigen werden“ (Kursivdruck im Original[58]). Er folgert daraus, dass man nach Wiederholungen, „Hier-und-Jetzt-Entsprechungen“ in der Beziehung zum Therapeut suchen sollte, um sie dann genau da zu besprechen. Ein Therapeut, der Patienten hilft, zu verstehen, dass ihre Probleme durch Schwierigkeiten in sozialen Kontakten entstehen, sollen sogar wissenschaftlich belegt erfolgreicher sein als die, die das selten tun[59].

3.3. Das Hier und Jetzt deutlich sehen (und nutzen)

Drittens kann aktuell Relevantes im Hier und Jetzt (das Dringendste im jetzigen Moment) scharf gesehen werden („awareness of what the client is experiencing and needs in the moment“[60]). Das Hier und Jetzt erachtet Yalom für etwas enorm Wesentliches[61], man solle es immer nutzen, beachten und alles im Hier und Jetzt sei Wasser auf die Mühlen der Therapie[62]. Auch Kernberg empfiehlt, Deutungen bei negativen Übertragungen eher auf das Hier und Jetzt zu beschränken und auf die aktuellen Beziehungen außerhalb der Therapie.[63]

3.3.1. Das Hier und Jetzt bei Therapiebeginn

Schwartz & Flowers betonen, dass man gleich zu Beginn die Erwartungen des Patienten, seine bisherigen Therapieerfahrungen, seine Veränderunsstufe, die Reaktanz oder das Selbstbild (Frauenbild, Männerbild) nicht übersehen sollte. Sonst drohe unter anderem das Problem, einen Patienten nicht genau da abzuholen, wo er/sie gerade steht, sondern jemanden zu „hetzen oder auszubremsen“[64] , z. B. wenn man Kinder zu früh zu starke Gefühle erleben lässt, obwohl „das Gras nicht schneller wächst, wenn man daran zieht“[65].

3.3.2. Das Hier und Jetzt bei einem Beziehungsriss

Etwas Relevantes im Hier und Jetzt kann auch ein Beziehungsriss sein, in zwei verschiedenen Formen: Rückzug (äußerlich, innerlich) oder Angriff (Ärger oder Unzufriedenheit ausdrücken). Auch das gilt es mit scharfen Augen zu sehen, von Moment zu Moment.

3.3.3. Das Hier und Jetzt der Situation (Systemik & Meta-Perspektive)

Manchmal vernachlässigen Therapeuten es, die Situation oder das System um einen Menschen herum zu beachten. Um einen Patienten (und eine Psychotherapie) herum sind sehr viele Systeme aktiv und einflussreich; als Beispiele: Neben den klinischen Stationsregeln, Bezugspersonen (Betreuern), Rentensystemen, Wohn- und Finanzsystemen (oder kollektiven, politischen Systemen) gibt es auch dysfunktionale Familiensysteme, Migration, transgenerationale Traumata oder auch von Drogen geprägte soziale Kreise (Gruppen). Auf den Punkt gebracht: Die sehende Achtsamkeit eines Psychotherapeuten wäre blind (und würde das Wissen um den fundamentalen Attributionsfehler missachten), wenn sie die Systeme um einen Menschen vergessen werden würden.

4. Hand-Fähigkeiten (effektiv handeln / wirkungsvoll intervenieren)

Der Begriff „Hand“ ist metaphorisch gemeint im Sinne von „führen, ausführen, handeln“. Schließlich gibt es keine Psychotherapie, in der nur empathisch gefühlt, gesehen oder zugehört wird, sondern es wird (mehr oder weniger) konkret gehandelt, also u. a. gesprochen, aus- und angesprochen, gefragt, geraten, reagiert, konfrontiert, kritisiert, betont, interveniert, kommentiert, geklärt und gedeutet. Dafür braucht es viel an Fingerspitzengefühl bei der Auswahl der Technik, der Dosierung, ein feinfühliges Timing[66] und ein angepasster Takt oder Frequenz an Äußerungen pro Zeiteinheit. Nicht nur das, auch kann die Stimmlautstärke, die Tonhöhe, der Tonfall, das Vokabular und das Sprechtempo angepasst werden.

4.1. Inhalt (Richtung und Fokus) der Intervention

Hilfreich könnte es sein, vier von fünf Wirkfaktoren, belegt von Klaus Grawe, als „Richtung“ anzusehen, die es instinktiv im richtigen Moment anzugehen gilt. Das wäre erstens, instinktiv Ressourcen des Patienten zu aktivieren, ihn/sie Probleme lebendig spüren zu lassen (Problemaktualisierung), Begründungen und Motivation zu fokussieren (motivationale Klärung) oder Problemlösungen anzustreben. Die personenspezifische Kompetenz wäre dann, im richtigen Moment die hilfreichste Richtung auszuwählen. Es könnte natürlich auch noch andere, weitere Richtungen geben (zum Beispiel strukturelle Richtungen aus der Operationalisierten Psychodynamischen Diagnostik, wie Affektdifferenzierung, Objektwahrnehmung, Beziehungsregulation und Kommunikation).

4.2. Das Timing einer Intervention („kalt“ versus „heiß“)

Yalom sagt sehr anschaulich, dass man das Eisen schmieden solle, solange es kalt ist[67]. Das heißt, er möchte seinen Patienten dann auf ihr problematisches interpersonelles Verhalten ansprechen, wenn es nicht mehr auftritt (es sozusagen „abgekühlt“ ist; „Interpretationen sind am wirksamsten, wenn der Affekt des Patienten sich so weit abgeschwächt hat, dass er sein Verhalten leidenschaftsloser betrachten kann“[68]). Zusätzlich vertritt Yalom aber auch die Haltung, es anzusprechen, wenn es gerade besonders oder zum wiederholten Male auffällt[69]. Eine Veränderung bei Patienten sei nur möglich, wenn diese auch irgendwann Verantwortung für eigene Anteile übernehmen, „das heißt zu begreifen, wie sie selbst zu ihrem eigenen Elend beitragen“.[70] Vielleicht geht das mit einem „kühlen Kopf“ besser, wie Yalom in seiner kalten-Eisen-Metapher nahe legt. Die bisherige Forschung sagt, „effective therapists are verbally fluent, express emotion appropriately, are persuasive, communicate hopefulness, are warm and empathic (…) and focus on patients‘ problems“[71].

4.3. Die Kreativität der Interventionen

Kreativität und Anpassungsbereitschaft des Therapeuten ist sehr wichtig; Yalom sagt sogar, „Der Therapeut muss danach streben, für jeden Patienten eine neue Therapie zu kreieren“[72]. „Successful therapists responsively adapt their treatment approach, resources and strategies specifically for each client and session, so the brand of treatment is variable rather than constant across clients“[73].

5. Lern-Fähigkeiten

5.1. Lernen durch Supervisionen

„We suspect that one of the factors that differentiates more and less effective therapists is the textent to which they seek and make use of supervision“[74]. Supervision erfordert eine gewisse Offenheit für Feedback – und Toleranz für Selbstzweifel. Und sich selbst professionell anzweifeln zu können, korreliert wiederum tatsächlich mit besseren Therapie-Ergebnissen (p. 46). „Die Wahrnehmung unserer Schwächen kann uns auch dazu motivieren, unsere Fähigkeiten zu verbessern, indem wir uns auf dem neuesten Stand der Forschungsliteratur halten, uns mit Kollegen beraten und an Workshops teilnehmen“[75].

5.2. Lernen durch Patientenfeedback

Das Einsammeln von Patientenfeedback soll die Erfolgsrate erhöhen[76]. „Durch Rückmeldungen werden [Therapeuten] zu besseren Zeugen ihres eigenen Verhaltens und lernen, [ihre] Wirkung auf die Gefühle anderer richtig einzuschätzen“[77]. „In addition to useful feedback and helpful models, expertise requires an ongoing effort to increase and maintain excellence“[78]. Exzellenz entsteht durch Anstrengung; die Menge an kognitiven Anstrengungen, während TherapeutInnen Tonbandaufnahmen ihrer Sitzungen wieder anhörten, war signifikant korreliert mit dem Therapieergebnis[79]. Therapeutische Kompetenzen „may be best characterized as a complex set of skills, developed through extensive practice of more primordial skills, which serve as building blocks for more complex and advanced skill sets“[80]. Die hier fünf beschriebenen fünf Fähigkeitsbereiche sind womöglich solche „primordial skills“, auf deren Grundlage sich Psychotherapeuten trainieren lassen.

Definition eines Therapeuten-Effekts

Das Thema „personenzentrierte Psychotherapie-Kompetenzen“ impliziert, dass es einen Therapeuten-(Kompetenz-)Effekt geben muss. „The term therapist effects encompasses conceptual, clinical, and statistical phenomena that refer to ‚the contribution that can be attributed to therapists when evaluating the efficacy of a psychological intervention‘“[81]. So ein Effekt soll sich z. B. darin zeigen, dass manche TherapeutInnen konsistent bessere Ergebnisse erzielen als andere[82]. Über die Zeit und die verschiedenen Patienten hinweg soll dieser Effekt relativ stabil sein[83], was aber nicht bedeutet, dass Training und Übung den Effekt nicht verändern würde; wenn sich TherapeutInnen durch bewusstes Üben selbst verbessern, wächst auch die Erfolgsrate[84].

Bestandteile des Therapeuten-Effekts

Nicht relevant sind bei der Person des Psychotherapeuten: das Geschlecht, das Alter, die Erfahrung[85] und der qualifizierende Abschluss[86]. Laut bisheriger Studien sind auch die theoretische Schulen-Orientierung, selbst berichtete interpersonale Fähigkeiten und Manual-Adhärenz nicht korreliert mit dem Therapie-Erfolg[87]. „Zu den Faktoren, die [eine erfolgsfördernde] Beziehung beeinflussen, gehören Glaubwürdigkeit, Zuverlässigkeit und die Kompetenz des Therapeuten“[88].

Größe des Therapeuten-Effekts

Wer eine Therapie durchführt, erklärt in etwa 5 bis 8 Prozent der Unterschiede in Therapie-Ergebnissen[89] und bei besonders schwer belasteten Patienten, ähnlich wie Kernberg vor vielen Jahren sagte, wächst der Effekt auf bis zu 16 Prozent[90]. In manchen Werken ist von 30 Prozent Varianzerklärung durch den Therapeuten die Rede[91] und je nach dem, was die abhängige Variable genau ist, soll es sogar bis zu 70 Prozent gehen[92].

Computer-unterstützte psychotherapeutische Interventionen

Seit etwa 2000 hat die Erforschung der Anwendung moderner Medien für psychotherapeutische Zwecke bedeutsam zugenommen.[93][94] Dabei können folgende Einsatzbereiche unterschieden werden:

Teletherapie: In der Teletherapie wird klassische Psychotherapie über moderne Kommunikationskanäle (Videotelefonie, Chats etc.) realisiert.[95]
Virtuelle Realität: „Virtual-Reality-Technologien“ (VR) ermöglichen es, computerbasierte Modelle der realen Welt zu erstellen, mit denen auf Basis einer Mensch-Maschinen-Schnittstelle (meist das Smartphone) interagiert werden kann.[96]
Computer-basierte Online Interventionen (syn. Internet Interventionen, Online Therapie): Bereitgestellte Online-Programme können als eine interaktive Form der Selbsthilfe beschrieben werden (Selbsthilfe 2.0) und bestehen meist aus einer Kombination von Text, Audio und Video-Modulen.[97]
Computer-unterstützte Psychotherapie (syn. Gemischte Therapie, Blended Therapy): Klassische Psychotherapie kann durch Online- und App-Elemente unterstützt werden. Ihre Anwendung wurde bereits für die Einzeltherapie,[98] als auch für die Gruppentherapie untersucht.[99]

Erste Pilotprojekte dazu gab es in den Niederlanden. In der Bundesrepublik Deutschland konnten bisher entsprechende psychotherapeutische Leistungen nicht über die gesetzlichen Krankenkassen abgerechnet werden. Diese Einschränkung wurde aufgrund der COVID-19-Pandemie im Jahr 2020 aufgehoben.

Abgrenzung von anderen professionellen Beziehungen

Das psychotherapeutische Setting wird wegen seiner juristischen und theoretischen Rahmenbedingungen von anderen Formen der professionellen (Arbeits-)Beziehung formal deutlich unterschieden, jedoch gibt es in den einzelnen Staaten oft andere Definitionen. In Deutschland grenzt das Psychotherapeutengesetz Psychotherapie von nichtheilkundlichen psychologischen Interventionen klar ab. So gilt als Psychotherapie jede psychologische „Tätigkeit zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Störungen mit Krankheitswert“ mittels „wissenschaftlich anerkannter Verfahren“.[100] Hingegen gehören „psychologische Tätigkeiten, die die Aufarbeitung und Überwindung sozialer Konflikte oder sonstige Zwecke außerhalb der Heilkunde zum Gegenstand haben“ nicht zur Psychotherapie.[101] So sind in Deutschland z. B. Beratungsgespräche mit Lehrern, Sozialarbeitern, und auch Seelsorgegespräche keine Psychotherapie. Deutlich unterscheidet sich auch das Coaching von der Psychotherapie.

Methodisch überschneiden sich Therapie, Beratung, Seelsorge, Selbsterfahrung oft bis in Kernbereiche. Allerdings ist in Deutschland gemäß Psychotherapeutengesetz und Psychotherapierichtlinien das Ziel der Psychotherapie klar als Diagnose und Heilung von psychischen Störungen definiert, während nichtheilkundliche psychologische Verfahren ausschließlich die Klärung bei allgemeinen Lebensproblemen und die Lösung sozialer Konflikte zum Ziel haben.[102] Auf dem Kontinuum zwischen der „Behandlung von Krankhaftem“ bis zur „Entwicklung von Ressourcen“ ist Psychotherapie nur unbefriedigend abzugrenzen. Verschiedene Therapie-Richtungen integrieren zusätzlich zu Psychischem auch Spiritualität, Soziales, Politisches etc.

Formal handelt es sich nach deutschem Recht[103] nicht um Psychotherapie, sondern um psychologische Beratung oder andere Methoden,

wenn keine Störungen oder Krankheiten beeinflusst werden sollen;
wenn es sich um Selbsthilfegruppen, Selbsterfahrungsgruppen, Supervisionen, Trainings- oder Coachinggruppen sowie allgemeine Lebensberatung handelt;
wenn die Prinzipien von Diagnose und Heilung nicht angewandt werden;
wenn keine wissenschaftliche Theorie oder überprüfbare Anschauungen zugrunde liegen,
sondern die „Behandlung“ sich ausschließlich auf die persönlich gewonnenen oder in einer bestimmten Gruppe tradierten Erfahrungen stützt;
wenn keine (schriftliche oder mündliche) Vereinbarung zu einer Psychotherapie vorliegt;
wenn Ziele eines Therapieprozesses nicht festgelegt werden oder diese Ziele nicht offen besprochen werden;
wenn ausschließlich Behandlungen mit Medikamenten erfolgen;
wenn keine persönliche Interaktion zwischen dem Patienten oder Klienten und dem Berater bzw. Therapeuten vorliegt (wenn z. B. „therapeutische Mitteilungen“ ausschließlich in der Form von Rundbriefen, Audio- oder Videokassetten etc. verbreitet werden);
wenn lediglich die charismatische Persönlichkeit des Behandelnden als Wirkung eingesetzt wird und keine Heilung versprochen wird.

Ausbildung und staatliche Anerkennung

Dieser Artikel oder Absatz stellt die Situation in Deutschland, Österreich und der Schweiz dar. Hilf mit, die Situation in anderen Staaten zu schildern.

Nicht alle Psychotherapieverfahren sind überall staatlich anerkannt und werden von allen Krankenkassen finanziert. Dahinter stehen unterschiedliche Auffassungen über Indikation[104] und Wirksamkeit, aber auch berufsständische Interessenskämpfe (zwischen Medizinern, Psychologen und anderen Berufen),[105] und die Konkurrenz der Psychotherapie-Schulen untereinander. In der Schweiz und in Österreich ist die methodische Freiheit und Verantwortung des Therapeuten sehr viel weiter gefasst als in Deutschland.

Schweiz

In der Schweiz wird nicht nach Methoden unterschieden. Entscheidend ist die Qualifikation des Therapeuten und der Besitz einer kantonalen Praxisbewilligung. Psychotherapeutisch ausgebildete Ärzte (Facharzttitel Psychiatrie und Psychotherapie FMH) können die psychotherapeutische Leistung direkt mit den Krankenkassen abrechnen. Die psychologischen Psychotherapeuten nur, wenn sie über den delegierenden Arzt abrechnen. Die Zulassung von Therapiemethoden erfolgt durch die Schweizer Charta für Psychotherapie als Konferenz der Weiterbildungsinstitutionen und Fachverbände innerhalb der Assoziation Schweizer Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten (ASP), den Schweizerischen Berufsverband für angewandte Psychologie (SBAP), sowie die Föderation der Schweizer Psychologinnen und Psychologen (FSP) Eine gültige Methoden-Zulassung erfolgt daher bis heute nach den Aufnahme-Kriterien dieser Verbände. Für die Zulassung zur Führung einer Psychotherapie-Praxis (Praxisbewilligung) sind die Kantone zuständig. Seit 1. April 2013 regelt das Psychologieberufegesetz (PsyG).[106] die Gleichwertigkeit von Hochschulabschlüssen in Psychologie und Weiterbildungstitel im Geltungsbereich des PsyG, wie unter anderem die psychologische Psychotherapie. Seit Inkrafttreten des PsyG müssen Personen, welche privatwirtschaftlich und in eigener fachlicher Verantwortung Psychotherapie ausüben wollen, einen Master- oder gleichwertigen Hochschulabschluss in Psychologie besitzen und eine akkreditierte psychotherapeutische Weiterbildung absolviert haben. Die Übergangsbestimmungen in Artikel 49 PsyG gelten für all diejenigen Personen, die bereits eine kantonale Berufsausübungsbewilligung in Psychotherapie haben, oder ihre Psychotherapieweiterbildung in der Schweiz vor Inkrafttreten des PsyG abgeschlossen oder begonnen haben.

Österreich

Für die Zulassung zur psychotherapeutischen Ausbildung ist das Vorliegen eines spezifischen Quellberufs erforderlich. Als solche gelten Studienabschlüsse der Medizin, der Psychologie, der Psychotherapiewissenschaft (PTW), der Pädagogik, der Philosophie, der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft, der Theologie oder ein Studium für das Lehramt an höheren Schulen. Außerdem zugangsberechtigt sind Abschlüsse an einer Akademie für Sozialarbeit, einer Lehranstalt für gehobene Sozialberufe, einer Pädagogischen Akademie oder einer mit Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Lehranstalt für Ehe- und Familienberater. Auch ein Kurzstudium oder Hochschullehrgang für Musiktherapie qualifiziert für eine Zulassung zur Ausbildung.[107] Wer nicht zu diesen Berufsgruppen zählt, kann einen Antrag auf bescheidmäßige Zulassung beim Bundesministerium für Gesundheit stellen. Über diesen wird auf Grundlage eines eingeholten Eignungsgutachtens des Psychotherapiebeirats entschieden. Die Grundausbildung, das Propädeutikum, dauert etwa zwei Jahre. Erst nach Abschluss des Propädeutikums kann das Fachspezifikum absolviert werden. Es dient der Ausbildung in einer der anerkannten Methoden und dauert mindestens drei Jahre. In Österreich sind derzeit 23 psychotherapeutische Methoden anerkannt.[108]

Seit 2005 wird an der Sigmund Freud Privatuniversität Wien der Studiengang Psychotherapiewissenschaft (Bakkalaureatsstudium: 6 Semester; Magisterstudium: 4 Semester) angeboten. Im Bakkalaureatsstudium kann zwischen den Schwerpunkten „Psychotherapie“ (Vorbereitung für Magisterstudium) und „Psychosoziale Beratung“ (Qualifikation für entsprechende Praxistätigkeit) gewählt werden.
Das Magisterstudium der Psychotherapiewissenschaft „baut auf dem Bakkalaureatsstudium auf und soll Theorie, Methodik und Geschichte der Psychotherapie, allgemeine und methodenspezifische Krankheitslehre sowie Diagnosenlehre von Störungsbildern und deren Behandlungskonzepten vertiefen“. Es handelt sich jedoch nicht um eine Ausbildung im Sinne des österreichischen Psychotherapiegesetzes, d. h. zielt grundsätzlich nicht auf die Erlangung der Berufsberechtigung als Psychotherapeut ab.[109]
Zurzeit sind solche Studiengänge bereits in Wien, Berlin, Linz, Ljubljana, Milano und Paris möglich.

Auch an der Donau-Universität Krems ist ein Masterstudium Psychotherapie möglich.[110]

Ausschließlich Ärzte können die Berechtigung zur selbständigen Ausübung von Psychotherapie mit dem ÖÄK-Diplom für Psychotherapeutische Medizin erlangen. Dieses Fortbildungsdiplom, auch als PSY3-Diplom bezeichnet, wird von der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK) verliehen.[111] Der Zeitaufwand zur Erlangung des PSY3-Diploms beträgt üblicherweise 7 Jahre, weil der Abschluss des PSY1- und PSY2-Diploms Voraussetzung für den Beginn des PSY3-Curriculums ist.

Deutschland

→ Hauptartikel: Psychotherapie in Deutschland

Seit 1967 ist die Psychotherapie Bestandteil der kassenärztlichen Versorgung. Vor Inkrafttreten des Psychotherapeutengesetzes zum 1. Januar 1999 konnten nur ärztliche Psychotherapeuten Mitglieder der Kassenärztlichen Vereinigung sein, seither jedoch auch psychologische Psychotherapeuten sowie Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeuten. Die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen für die von Psychotherapeuten durchgeführte Heilbehandlungen ist nur in wenigen anderen Ländern der Welt so klar zugunsten der psychisch kranken Patienten und ihrer Therapeuten geregelt wie in Deutschland.

Im deutschen Gesundheitssystem sind aktuell vier Verfahren für die von den gesetzlichen Krankenkassen finanzierte Psychotherapie zugelassen:

Verhaltenstherapie,
Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie,
Analytische Psychotherapie und
Systemische Psychotherapie (seit Juli 2020[112])

Die Analytische Psychotherapie besteht wiederum aus drei verschiedenen Strömungen:

Psychoanalyse nach Sigmund Freud,
Analytische Psychologie nach Carl Gustav Jung und
Individualpsychologie nach Alfred Adler.

Außerdem können Autogenes Training, Progressive Muskelentspannung, Hypnose und seit 2014 auch EMDR als Einzelbehandlung genehmigt und finanziert werden.

Psychotherapie zu Lasten der Krankenkassen muss in Deutschland von der Kasse genehmigt werden. Zu diesem Zweck muss der Patient einen Kassenantrag stellen. Diesem Antrag muss der Psychotherapeut wenn er eine Langzeittherapie beantragt einen Bericht an den Gutachter beilegen. Von der befürwortenden Stellungnahme des Gutachters hängt es ab, ob die Krankenkasse die Kosten für die Behandlung übernimmt.

Siehe auch

Psychotherapieforschung
Geschichte der Psychotherapie
Deliktbearbeitung
Erstinterview der Psychotherapie
Liste von Psychotherapie- und Selbsterfahrungsmethoden
Liste bedeutender Psychotherapeuten
Liste psychotherapeutischer Begriffe
Liste psychotherapeutischer Fachzeitschriften
Feministische Psychotherapie
Supportive Psychotherapie
Psychagogik
Machtmissbrauch in der Psychotherapie

Literatur

Einführung

Hans Strotzka (Hrsg.): Psychotherapie. Grundlagen, Verfahren, Indikationen. Urban & Schwarzenberg, München/Berlin/Wien 1975, ISBN 978-3-541-06931-6. 
Michael Linden, Martin Hautzinger (Hrsg.): Psychotherapie-Manual. Springer, Berlin 1981.
Thomas Kiernan: Psychotherapie. S. Fischer, Frankfurt am Main.
Jürgen Kriz: Grundkonzepte der Psychotherapie. Beltz, Weinheim 2001, ISBN 3-621-27451-0.
Bärbel Schwertfeger, Klaus Koch: Der Therapieführer. Die wichtigsten Formen und Methoden. Heyne, München 2002, ISBN 3-453-09133-7.
Michael Ermann: Psychotherapie und Psychosomatik Ein Lehrbuch auf psychoanalytischer Grundlage. 7. Auflage. Kohlhammer, Stuttgart 2020, ISBN 978-3-17-021570-2.
Friedrich Beese: Was ist Psychotherapie? Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2004, ISBN 3-525-45706-5.
Rosemarie Piontek: Wegbegleiter Psychotherapie. 2. Auflage. Psychiatrie-Verlag, Bonn 2005, ISBN 3-88414-320-4.
Gerhard Stumm, Beatrix Wirth: Psychotherapie, Schulen und Methoden. Falter, Wien 2006, ISBN 3-85439-378-4.
Hans-Joachim Maaz: Hilfe! Psychotherapie. Wie sie funktioniert und was sie leistet. C.H.Beck, München 2014, ISBN 978-3-406-66078-8.

Nachschlagewerke

Gerhard Stumm, Alfred Pritz, Paul Gumhalter (Hrsg.): Personenlexikon der Psychotherapie. Springer, Wien 2005, ISBN 3-211-83818-X.
Gerhard Stumm, Alfred Pritz (Hrsg.): Wörterbuch der Psychotherapie. Springer, Wien 2007, ISBN 3-211-70772-7.

Geschichte

James Braid: Die Suggestion und ihre Heilwirkung. Übersetzt von Sigmund Freud, Leipzig/Wien 1882.
Klemens Dieckhöfer: Von Mesmer bis Charcot. Die Entwicklung der Psychotherapie in der vorfreudianischen Epoche. In: Extr. psych. Band 6, 1992, S. 42–53.
Klaus Grawe, R. Donati, F. Bernauer: Psychotherapie im Wandel. Hogrefe, Göttingen 1994.
Regine Lockot: Erinnern und Durcharbeiten. Fischer, Frankfurt 1985. Nachdruck vom Psychosozial-Verlag, Gießen 2003, ISBN 3-89806-171-X.
Henri Ellenberger: Die Entdeckung des Unbewußten. Diogenes, Stuttgart 2005, ISBN 3-257-06503-5.

Risiken und Nebenwirkungen

Anton Leitner, Brigitte Schigl, Michael Märtens (Hrsg.): Wirkung, Risiken und Nebenwirkungen von Psychotherapie. Ein Beipackzettel für TherapeutInnen und PatientInnen. Facultas Verlag, Wien 2014. ISBN 978-3-7089-1125-0.

Kritik

Dieter Kleiber, Armin Kuhr (Hrsg.): Handlungsfehler und Misserfolge in der Psychotherapie. dgvt, Tübingen 1988.
Jeffrey M. Masson: Die Abschaffung der Psychotherapie. Bertelsmann, München 1991.
Michael Märtens, Hilarion Petzold (Hrsg.): Therapieschäden. Mainz 2002.
Marie Faber: Seelenrisse auf Rezept. Mammendorf 2005, ISBN 3-86611-092-8.
Albert Krölls: Kritik der Psychologie. VSA, Hamburg 2006 ISBN 3-89965-213-4.

Sammelwerke

Psycho–Logik: Jahrbuch für Psychotherapie, Philosophie und Kultur Alber, Freiburg im Breisgau/ München 2006 ff., ISSN 1861-4183.

Weblinks

Wikiquote: Psychotherapie Ã¢Â€Â“ Zitate
Wiktionary: Psychotherapie Ã¢Â€Â“ Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
DGPPN Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde
Psychotherapie-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses
Psychotherapie-Vereinbarungen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (Stand: 2017, Überblick)
Informationsseiten der Bundespsychotherapeutenkammer zur Psychotherapie (Stand Dez. 2013)

Einzelnachweise

↑ Stichwort Psychotherapie im DORSCH (Enzyklopädie für Psychologie)

↑ Hans Strotzka: Psychotherapie und soziale Sicherheit. Verlag Hans Huber, Bern 1969, zitiert nach Hans-Ulrich Wittchen, Jürgen Hoyer: Klinische Psychologie & Psychotherapie. Springer, 2011, (S. 4 (GoogleBooks).
Hans Strotzka: Psychotherapie und Tiefenpsychologie – ein Kurzlehrbuch. 2. Auflage. Springer-Verlag, 1984, zitiert in Horst Dilling, Christian Reimer: Psychiatrie und Psychotherapie. Springer, 2013, S. 245 (books.google.ch).

↑ Stichwort Psychotherapieforschung im DORSCH (Lexikon der Psychologie).

↑ Klaus Dörner, Ursula Plog, Christine Teller, Frank Wendt: Irren ist menschlich. 4. Auflage. Psychiatrie-Verlag, Bonn 2002, ISBN 978-3-88414-440-4, S. 476. 

↑ Sarah Chaney: The action of the imagination: Daniel Hack Tuke and late Victorian psycho-therapeutics. History of the Human Sciences Volume: 30 issue: 2, page(s): 17–33

↑ Klemens Dieckhöfer: Psychotherapie. In: Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage, Gundolf Keil, Wolfgang Wegner (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte. De Gruyter, Berlin/ New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 1198–1200, hier: S. 1198.

↑ S. Shamdasani: ‘Psychotherapy’: the invention of a word. Abgerufen am 1. Juli 2020.  In: History of the Human Sciences. 18, Nr. 1, 2005, S. 1–22.

↑ Pierre Cabanis: Rapports du Physique et du Moral de l’Homme.

↑ Magdalena Frühinsfeld: Kurzer Abriß der Psychiatrie. In: Anton Müller. Erster Irrenarzt am Juliusspital zu Würzburg: Leben und Werk. Kurzer Abriß der Geschichte der Psychiatrie bis Anton Müller. Medizinische Dissertation Würzburg 1991, S. 9–80 (Kurzer Abriß der Geschichte der Psychiatrie) und 81–96 (Geschichte der Psychiatrie in Würzburg bis Anton Müller), S. 42 f.

↑ Dirk Revenstorf: Psychotherapeutische Verfahren, Bd. II – Verhaltenstherapie. Kohlhammer, 1996.

↑ Stefan Priebe, Donna Wright (2006): The provision of psychotherapy – An international comparison. In: Journal of Public Mental Health 5 (3).

↑ Doris K. Silverman (2005): What Works in Psychotherapy and How Do We Know?: What Evidence-Based Practice Has to Offer. In: Psychoanalytic Psychology 22 (2).

↑ Vgl. etwa Günter Clauser: Vegetative Störungen und klinische Psychotherapie. In: Ludwig Heilmeyer (Hrsg.): Lehrbuch der Inneren Medizin. Springer-Verlag, Berlin/Göttingen/Heidelberg 1955; 2. Auflage ebenda 1961, S. 1218–1297.

↑ Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Durchführung der Psychotherapie (Psychotherapie-Richtlinie) g-ba.de. Abgerufen am 9. Jänner 2016.

↑ Psychotherapeutengesetz der Bundesrepublik Deutschland, Paragraph 1, Abs. 3, Satz 1.

↑ Psychotherapierichtlinie Deutschland, Stand 19. Juni 2013. g-ba.de. Abgerufen am 27. März 2014.

↑ Wissenschaftlicher Beirat Psychotherapie nach § 11 PsychThG, auf wbpsychotherapie.de

↑ Gutachten zur wissenschaftlichen Anerkennung der Systemischen Therapie. Abgerufen am 23. Januar 2019 (deutsch). 

↑ Systemische Therapie: Anerkennung des Nutzens und der medizinischen Notwendigkeit als Psychotherapieverfahren – Gemeinsamer Bundesausschuss. Abgerufen am 23. Januar 2019. 

↑ Gemeinsamer Bundesausschuss: Psychotherapie

↑ Bundespsychotherapeutenkammer (Hrsg.): Psychotherapie für Kinder und Jugendliche – Informationen für Eltern. KomPart, Berlin 2013 (Online [PDF]). 

↑ Schnura: Störungen mit Krankheitswert – Was darf der Heilpraktiker für Psychotherapie behandeln. Abgerufen am 20. Januar 2018. 

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↑ zitiert aus den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum österreichischen Psychotherapiegesetz bei Ch. Krammer Ch (1995): Zur Ausubung der Psychotherapie – eine Klarstellung. In: Psychotherapie Forum (Supplement) 3 (1): 3–6, S. 3; vgl. M. Kierein (1995): Die osterreichische Rechtslage auf dem Gebiet der Psychotherapie – das Psychotherapiegesetz. In: Psychotherapie Forum (Supplement) 3 (1): 6–11, S. 7; ausführliche Darlegung und Diskussion zum Thema bei A. Pritz et al. (Hrsg.): Psychotherapie – eine neue Wissenschaft vom Menschen. Spring, Wien/ New York 1996.

↑ Warum mehr Psychotherapie? Österreichischer Bundesverband für Psychotherapie, abgerufen am 28. Januar 2021 (Projektseite). 

↑ Österreichisches Psychotherapiegesetz ris.bka.gv.at. Abgerufen am 10. April 2014.

↑ Bescheid des Bundesministeriums für Gesundheit und Frauen vom 10. Januar 2007, Geschäftszahl BMGF-93500/0002–1/7/2007.

↑ Psychotherapie… Wer bietet sie an? (Memento vom 2. Februar 2017 im Internet Archive) FSP Föderation der Schweizer Psychologinnen und Psychologen S. 16

↑ Facharzttitel „Psychiatrie und Psychotherapie“ der FMH

↑ David Orlinsky: Comments on the State of Psychotherapy Research (As I See It). In: NASPR Newsletter, January 2006 (PDF; 2,2 MB), Abgerufen am 5. März 2010.

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↑ Louis G. Castonguay & Clara E. Hill: How and why are some therapists better than others? Understanding therapist effects. American Psychological Association, Washington DC 2017, ISBN 978-1-4338-2771-6, S. 152–153 f. 

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↑ Wolfgang Lutz: Lehrbuch Psychotherapie. 1. Auflage. Hans Huber, Bern 2010, ISBN 978-3-456-84839-6, S. 26, 420. 

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↑ Irvin D. Yalom: Der Panama-Hut oder Was einen guten Therapeuten ausmacht. btb, München 2010, S. 196. 

↑ Bernhard Schwartz & John V. Flowers: Was Therapeuten falsch machen. 50 Wege, Ihre Klienten zu vergraulen. Klett-Cotta, Stuttgart 2010, S. 61. 

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↑ Psychotherapeutengesetz der Bundesrepublik Deutschland, § 1, Abs. 3, Sätze 1,2 – gesetze-im-internet.de

↑ Psychotherapeutengesetz der Bundesrepublik Deutschland, § 1, Abs. 3, Satz 3 – gesetze-im-internet.de

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↑ siehe Psychotherapeutengesetz § 1 Absatz 3

↑ Vgl. etwa Günter Clauser: Die Indikation und Kontraindikation der psychotherapeutischen Fachbehandlung. In: Ludwig Heilmeyer (Hrsg.): Lehrbuch der Inneren Medizin. Springer-Verlag, Berlin/Göttingen/Heidelberg 1955; 2. Auflage ebenda 1961, S. 1296 f.

↑ Franz-Josef Hücker: Das Dodo-Verdikt und die psychotherapeutische Versorgung. EAP-Tagung zur Zukunft der deutschen Psychotherapie in Europa. In: Sozial Extra. Jg. 37, 2013, Nr. 9/10, S. 6–9.

↑ Anerkennungen von Psychologieberufen. Abgerufen am 1. Juli 2020. , auf bag.admin.ch

↑ Zu den Quellberufen siehe § 10 Absatz 2 des österreichischen Bundesgesetz vom 7. Juni 1990 über die Ausübung der Psychotherapie.

↑ In Österreich anerkannte Psychotherapiemethoden

↑ Bundesministerium für Gesundheit (Österreich): Informationen zu Anfragen im Zusammenhang mit dem Studium an der Sigmund Freud Privatuniversität Wien (SFU) (universitaetslehrgang-existenzanalyse.at PDF).

↑ Thema „Psychotherapie & Soziales“, auf donau-uni.ac.at, abgerufen am 1. Juli 2020

↑ Österreichische Gesellschaft für Psychosomatik und Psychotherapeutische Medizin, ÖGPPM

↑ Systemische Therapie startet am 1. Juli: Vergütung festgelegt. Abgerufen am 27. September 2020. 

Normdaten (Sachbegriff): GND: 4047746-0 (OGND, AKS)

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